Harninkontinenz – kein Tabu-Thema

von Jacqueline Heß

SakralnervenstimulationDer Begriff Harninkontinenz betrifft ein weites Feld urologischer Krankheitsbilder. Grundlegend haben diese Erkrankungen eine Gemeinsamkeit: Es ist ein Zustand, bei dem ein objektiv nachgewiesener unfreiwilliger Abgang von Urin ein soziales und hygienisches Problem darstellt.

„Eine häufige Form ist die Dranginkontinenz, auch als Reizblase oder hyperaktive Blase bezeichnet. Typisch ist eine Überempfindlichkeit der Blase oder eine Hyperaktivität des Blasenmuskels. Es resultiert ein zwingender, plötzlicher, unkontrollierter Harndrang durch Fehlregulation der Blasenmuskelaktivität mit häufigem und nächtlichem Wasserlassen“, so Prof. Dr. Martin Schostak, Direktor der Universitätsklinik für Urologie und Kinderurologie Magdeburg.

Ursachen können  eine Blasenentzündung, Prostatavergrößerung, Harnröhrenstriktur, Tumoren, Folgen einer Bestrahlung oder Chemotherapie, Fremdkörper, interstitielle Zystitis, psychische, neurologische und andere Erkrankungen sein.

Männer leiden seltener an Harninkontinenz als Frauen. Hier ist das Problem nicht selten Folge einer vorausgegangenen Prostataoperation. In fortgeschrittenem Alter kann es allerdings ohnehin zu Inkontinenz durch Nachlassen der Schließmuskelfunktion kommen.

„Vor einer Behandlung steht die Diagnostik. Mittels Fragebögen wird die Anamnese erhoben. Oft hilft hier auch ein Miktionstagebuch, in dem Häufigkeiten des Wasserlassens, auch nachts, sowie Inkontinenzepisoden aufgelistet werden. Ein PAD-Test, also eine Messung des Urinverlustes durch Auswiegen von verbrauchten Vorlagen, erleichtert eine Einschätzung der Schwere der Erkrankung.  Neben der klinischen Untersuchung erfolgt ein Ultraschall der Harnblase, Niere und ggf. Prostata. Zur weiteren Diagnostik können sich urodynamische Untersuchungen (Blasendruckmessung) und/oder eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) anschließen. In Einzelfällen ist auch eine Röntgendiagnostik nötig“, so Prof. Martin Schostak.

Röntgenbild sakrale NeuromodulationIm Mittelpunkt der Behandlung steht nach allgemeinen Maßnahmen wie Gewichtsreduktion und Blasentraining, zunächst die medikamentöse Therapie mit unterschiedlichen Wirkstoffen, die eine Entspannung der Harnblasenmuskulatur bewirken sollen, so dass das Fassungsvermögen der Harnblase zunimmt und damit die Häufigkeit der Toilettengänge reduziert wird. Bei ausbleibendem Erfolg mit Tabletten kann ein Medikament (Neurotoxin-Botulinustoxin=Botox) operativ in die Blasenschleimhaut gespritzt werden. Ergänzend können ein Blasentraining (Antrainieren von festen und langsam zunehmenden Intervallen des Wasserlassens) und psychotherapeutische Behandlungen (Erkennen von seelischen Konfliktsituationen, die sich auf die Blase auswirken können) durchgeführt werden.

Nach Ausschöpfen der konservativen Therapie gibt es eine Reihe von operativen Möglichkeiten. Dazu gehört der s.g. „Blasenschrittmacher“ bzw. „Sakralnervenstimulation“ oder „sakrale Neuromodulation“. Nach einer Testung, die klärt, ob diese Methode für den Patienten infrage kommt, werden dünne Drähte in die untere Wirbelsäule (Kreuzbein) eingebracht und mit einem Schrittmacher, der oberhalb des Gesäßes unter der Haut implantiert wird, verbunden. Sowohl eine Überaktivität der Harnblase als auch eine Unteraktivität (s.g. schlaffe Blase, z.B. bei neurologischen Erkrankungen, nach Wirbelsäulenverletzungen, Operationen im Beckenbereich oder bei Multipler Sklerose) kann durch die sakrale Neuromodulation positiv beeinflusst und vom Patienten mit einer Fernbedienung gesteuert werden. Weitere Möglichkeiten sind die Implantation eines s.g. Bandes unter die Harnröhre oder eines künstlichen Schließmuskels.

Prof. Dr. Martin Schostak, Direktor der Universitätsklinik für Urologie und Kinderurologie Magdeburg„Häufig ist das Thema Inkontinenz aufgrund der Scham ein Tabu-Thema. Fakt ist: Je länger man den Besuch beim Arzt aufschiebt, desto schlimmer werden die Symptome und können auch noch  andere körperliche Effekte nach sich ziehen. Scheuen Sie sich daher nicht, Ihren Urologen anzusprechen, um sich beraten zu lassen. Eine Inkontinenz kann in den meisten Fällen erfolgreich behandelt werden“, so der Klinikdirektor.

Sprechstunde für Harninkontinenz
OA Dr. A. Janitzky
Tel.:0391 / 67-13132

Fotos: Uniklinik und Medtronic

 

 

Letzte Änderung: 01.03.2018 - Ansprechpartner: Webmaster