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  Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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  PMI Nr: 100 / Datum: 16.10.2003

  Öffemtliches Symposium zur Verantwortungsethik am 25. Oktober
  Im Rahmen des Jubiläumsjahres "50 Jahre Hochschulstandort - 10 Jahre Otto-von-Guericke-Universität" veranstaltet das Institut für Klinische Pharmakologie der Magdeburger Uni am Sonnabend, dem 25. Oktober 2003, ein Symposium zur Verantwortungsethik unter dem Titel: Interessenkonflikte um das Medikament - Wo steht der Patient?.  
 
Nach dem Grußwort von Universitätsrektor Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann spricht Dr. Henning Friebel, Präsident der Landesärztekammer Sachsen Anhalt, über die Grundsätze medizinischer Ethik - vom Eid des Hippokrates bis zur Deklaration von Helsinki. Ethik, Gesetzlichkeit und gesellschaftliche Realität ist das Thema des anschließenden Vortrages von Prof. Dr. Dieter Krause, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin, Universität Magdeburg. Prof. Dr. Georg Lohmann, Institut für Philosophie, Universität Magdeburg, geht dann der Frage nach Paternalismus und Patientenautonomie - sind mögliche Selbstschädigungen hinzunehmen? Über die Unhaltbarkeit von Motivationsparadigmata - Geschichten vom Ende medizinischer Legenden referiert MR Prof. em. Dr. Frank P. Meyer, Klinischer Pharmakologe, Universität Magdeburg.  
 
Das Symposium findet von 9 bis 12 Uhr im Uni-Gebäude 50, Hörsaal 3, Große Steinernetischstraße, statt. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.  
 
 
Begleittext zum Symposium "Verantwortungsethik"  
 
Vor dem Hintergrund einer endlosen Diskussion über die Gesundheitsreform der Bundesregierung und unter Berücksichtung der Tatsache, dass in der Roten Liste, dem bekanntesten deutschen Arzneimittelverzeichnis, im Jahr 2003 gegenwärtig 9.449 verschiedene Medikamente eingetragen sind, resultiert die Frage: "Wo steht der Patient?" Im Mittelpunkt dieses Symposiums stehen ärztlich-ethische Aspekte, die dem Schutz der Patienten dienen sollen. Das beginnt mit dem so genannten Eid des Hippokrates (um 460-370 vor u.Z.) und reicht bis zur Deklaration von Helsinki in ihrer jeweils aktuellen Version.  
 
Medizinethik wird in Deutschland in vielen "Sonntagsreden" großgeschrieben. Dies sei Verantwortungsethik gegenüber Kranken und Gesunden. Aber - Forschung, Lehre und Behandlung sind auch in der Medizin großen Veränderungen unterworfen. Schon Karl Jaspers hat darauf hingewiesen, dass Humanität nicht planbar sei. Der Übermacht der Interessen des Marktes sind wir gegenwärtig alle ausgeliefert. Die Lobbyisten der pharmazeutischen Industrie und viele andere Interessenvertreter dominieren die Politik und den gesamten Medizinbereich. Geradezu typisch ist der wiederholte Verriss der Positivliste für Arzneimittel durch die Exponenten der Pharma-Industrie - sowohl unter einer CDU-Regierung (Horst Seehofer) als auch unter einer SPD-Regierung (Ulla Schmidt).  
Schon Patienten und Noch-Nicht-Patienten sind im modernen Medizinbetrieb in reine Konsumenten verwandelt worden. Entscheidend ist der Einkauf medizinischer Leistungen. Das betrifft natürlich besonders Arzneimittel. 2001 betrug der Arzneimittelumsatz in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung 217 US-Dollar. Dass der Markt mehr hergeben kann, bewiesen die USA mit der stattlichen Summe von 654 US-Dollar pro Kopf der Bevölkerung. Die Methoden zur Steigerung des Medikamentenverbrauchs sind vielfältig: (1) normale Lebensprozesse werden zu medizinischen Problemen erklärt, (2) milde Symptome eines gutartigen Leidens werden zu Vorboten einer schweren Erkrankung hochstilisiert, (3) Risikofaktoren werden zu behandlungspflichtigen Krankheiten umgedeutet, (4) Krankheitshäufigkeiten werden überzeichnet, (5) natürliche Wechselfälle des Lebens werden als krankhaft umgedeutet, (6) neue Krankheitsbilder werden erfunden, um vorhandene Medikamente besser vermarkten zu können.  
Am Aufbau medizinischer Legenden sind viele beteiligt: Mitarbeiter der Industrie, Ärzte, Apotheker, Psychologen, Pharmakologen usw. Der Spiegel (Heft 33/2003) hatte sich dieses Themas angenommen und titelte "Erfundene Krankheiten".  
Man könnte über die "Dagobertisierung" der Medizin resignieren, wenn nicht das Risiko bestünde, dass die Medizin zu einer Gefahr für die Gesundheit der Menschen wird.  
Die Verantwortung gegenüber dem Patienten, der selbst keine Lobby hat, darf nicht ins Hintertreffen geraten.  
Die Referenten des Symposiums beschäftigten sich industrie-unabhängig mit diesem komplexen Thema.  
 
Autor:  
Prof. em. Dr. Frank P. Meyer  
 
 
 


 

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