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  Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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  PMI Nr: 117 / Datum: 21.12.2004

  Forschungspreis Sachsen-Anhalts für Grundlagenforschung an Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich verliehen
 
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Vom Kultusminister Sachsen-Anhalts, Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, wurden am 20. Dezember 2004 in der Magdeburger Johanniskirche die Forschungspreise 2004 für Grundlagenforschung an Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich und für angewandte Forschung an Dr. Armin Dadgar verliehen. Die Festrede hielt. der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker.  
Mit den Forschungspreisen werden zwei Nachwuchswissenschaftler geehrt, deren bisherige Leistungen ein hohes Maß an wissenschaftlicher Exzellenz aufweisen. Jeder Preisträger erhält im Rahmen der Preisverleihung eine Zuwendung für die Verbesserung und Erweiterung der wissenschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten in Höhe von 50.000 Euro. Der Betrag kann flexibel in einem Zeitraum von bis zu drei Jahren eingesetzt werden.  
 
Text der Pressemitteilung des Kultusministeriums im Internet unter  
http://www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/data/mk/2004/334_2004.htm.  
 
Presseinformation zu den Forschungsarbeiten  
von Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich,  
Institut für Immunologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  
 
Die Art und Weise, in der Zellen des Immunsystems den Körper gegen Krankheitserreger und Fremdstoffe verteidigen, kann im Zentralnervensystem (ZNS) für die Funktion und das Überleben von Nervenzellen schädlich sein. Denn hier können Nervenzellen bei Entzündungsprozessen prinzipiell auf direktem oder indirektem Wege von Zellen des Immunsystem attackiert werden. Da Nervenzellen nicht oder nur in sehr geringem Maße ersetzbar sind, hätte diese Attacke im ZNS eine fatale Wirkung, und muss daher unbedingt dem Angriff von Zellen des Immunsystems entzogen werden. Aus diesem Grunde besitzt des ZNS ein ganzes Arsenal von Mechanismen, die der strikten Kontrolle und Unterdrückung von Immunreaktionen dienen, deren Gesamtheit als „Immunprivileg“ des ZNS bezeichnet wird. Auf der anderen Seite sind aber die Zellen des Immunsystems und eine immunologische Überwachung für Funktionserhalt und Regeneration des ZNS unverzichtbar. Wenn das Immunsystem im ZNS aber außer Kontrolle gerät, können entzündliche Schadenskaskaden einen Nervenzelluntergang und ein damit verbundenes neurologisches Krankheitsbild auslösen.  
 
In den letzten Jahren immunologischer Forschung wurde nun erkannt, dass entzündliche Prozesse und Netzwerke wesentlich an der Entstehung und am Voranschreiten vieler neurodegenerativer Erkrankungen beteiligt sind, darunter neben der Multiplen Sklerose auch beim Schlaganfall und bei der Alzheimer-Krankheit. Daher liegt in der Untersuchung und Aufklärung molekularer Mechanismen der entzündungs-vermittelten Nervenzellschädigung im ZNS ein großes therapeutisches Potential, gerade bei der Behandlung von akutem oder chronischem Nervenzelluntergang, bei denen die eigentliche Ursache entweder noch unbekannt ist (wie z.B. bei der Alzheimer-Krankheit oder der Multiplen Sklerose) oder nicht mehr zu verhindern ist (wie z.B. beim Schlaganfall). Hier könnte dann eine gezielte anti-entzündliche Therapie für den Patienten von großem Nutzen sein. Hier bei müssen aber zunächst die molekularen Mechanismen bekannt sein, in die dann therapeutisch eingegriffen werden soll. Da den Immunzellen im ZNS aber auch eine wesentliche Funktion bei Regeneration und Reparatur zukommt, ist von einem Eingriff in das Immunsystem des ZNS eine höchstmögliche Genauigkeit zu fordern, um mit der Therapie keinen gegenteiligen Effekt zu erreichen. Daher ist die grundlegende Untersuchung der molekularen Mechanismen entzündlicher Nervenzellschädigung eine wesentliche Voraussetzung zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien mit dem Ziel der Behandlung von Krankheiten des ZNS. Mit der Erkennung und Aufklärung dieser Mechanismen beschäftigt sich seine Arbeitgruppe am Institut für Immunologie der Universität Magdeburg.  
 
Im Rahmen dieser Arbeiten konnte nun kürzlich ein neuer molekularer Zusammenhang zwischen dem Zerfall der Markscheiden, die die Nervenzellfortsätze umhüllen, und der direkten Nervenzellschädigung im Rahmen der Multiplen Sklerose gefunden werden. Dieser Mechanismus wird durch Zerfallsprodukte der Markscheiden ausgelöst, durch sogenannte oxidierte Cholesterole. Diese sind in der Lage, eine massive Aktivierung einer bestimmten Gruppe von Entzündungszellen im ZNS, den Mikrogliazellen, in Gang zu setzen, die dann ihrerseits einen unerwünschten Angriff gegen Nervenzellen starten. Auf molekularer Ebene konnte dabei als zugrundeliegender Mechanismus die direkte Aktivierung eines bestimmten Proteins im Zellkern gefunden werden, die Poly(ADP-Ribose-Polymerase)-1 (PARP-1). Dieses Protein verbindet sich dann mit zwei anderen Proteinen im Zellkern, dem NF-kB und dem HMG-I(Y), zu einen Komplex, der dann zur verstärkten Bildung eines bestimmten Moleküls auf der Oberfläche dieser Zellen führt, dem CD11a. Dieses Oberflächenmolekül ermöglicht nun den Entzündungszellen, sehr gerichtet und gezielt an den Ort des geschädigten Hirngewebes zu wandern. Dort setzen die aktivierten Entzündungszellen dann große Mengen an bestimmten Substanzen frei (freie Sauerstoff- und Stickstoffradikale und toxische Zytokine), die zur massiven Schädigung oder zum Tod von Nervenzellen führen. Blockiert man nun diesen Mechanismus an einem dieser Stellen, kommt es zu keinem Nervenzellschaden mehr. Die detaillierten Ergebnisse dieser Arbeiten wurden in den renommierten Fachzeitschriften „Journal of Experimental Medicine“ und „Nature Cell Biology“ publiziert.  
 
Ausgehend von der Möglichkeit, diese entzündlichen Schadensmechanismen auch in vitro zu simulieren, werden in seiner Arbeitsgruppe auch mögliche therapeutische Ansätze untersucht. Dabei werden sowohl experimentelle, als auch empirische Strategien angewendet. Hier gelang es, in einem Kooperationsprojekt mit der National University of Malaysia zwei neue Arzneipflanzen zu identifizieren, die genau diese Entzündungsmechanismen hemmen. Der hier zugrundeliegende molekulare Mechanismus konnte teilweise aufgeklärt und diese Entdeckung als Patent angemeldet werden. Die weitere Isolierung, Identifikation und Testung der möglichen verantwortlichen Wirkstoffe wird derzeit in enger Kooperation mit Partnern aus Sachsen-Anhalt, nämlich dem Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle und dem Forschungsinstitut für angewandte Neurowissenschaften (FAN) in Magdeburg, durchgeführt.  
 
Im Zusammenhang mit der Regulation von Entzündungsprozessen im ZNS beschäftigt sich seine Arbeitsgruppe auch mit der Untersuchung des Endocannabinoidsystems in Immunzellen und in der Kommunikation zwischen Nerven- und Immunzellen. Das Endocannabinoidsystem ist ein körpereigenes Regulationssystem, das neben seiner Funktion bei der Nervenzell-Kommunikation auch an der Steuerung des Immunsystems beteiligt ist. Auch hier gelang kürzlich die Identifikation neuer Signalwege in Entzündungszellen des ZNS, die einen direkten Einfluss auf das Überleben von Nervenzellen haben. Die Arbeiten am Endocannabinoidsystem werden in enger Kooperation mit dem Institut für Pathologie und dem Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Magdeburg durchgeführt.  
 
Aktuell ist seine Arbeitsgruppe auch an einem multinationalem Verbundprojekt zusammen mit Arbeitsgruppen aus Deutschland, der Schweiz und Italien beteiligt, die die Aufklärung Schwerkraft-abhängiger Signalwege in Zellen des Immunsystem zum Ziel haben. Aus diesen Arbeiten können dann direkte Rückschlüsse auf grundlegende Prozesse der Immunzellaktivierung und –steuerung gezogen werden. Für diese Arbeiten ist die Aufnahme in das aktuelle Life Science-Programm der europäischen Raumfahrtagentur ESA und die Beteiligung an Weltraumexperimenten beantragt.  
 
Foto:  
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Oliver Ullrich, Universitätsprofessor für Molekulare Immunologie, Schwerpunkt Neuroimmunologie (C3)  
 
Bei Rückfragen:  
Tel. 0391/67 1538 (Büro), 6117 163 (Labor),  
e-mail: oliver.ullrich@medizin.uni-magdeburg.de  


 

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