Hybride Arbeitswelten von morgen gestalten

04.04.2022 -  

Arbeitswissenschaftler*innen diskutierten die Durchdringung unserer Arbeitswelt mit digitalen Werkzeugen und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Menschen.

Wie gravierend verändern digitale Technologien unsere Arbeitswelt? Welche Strategien sind sinnvoll, um die Konsequenzen dieses dynamischen Transformationsprozesses menschengerecht zu gestalten? Antworten auf diese Fragen suchten fast 400 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft vom 2. bis 4. März 2022 auf dem diesjährigen 68. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft „Technologien und Bildung in hybriden Arbeitswelten“. Ausrichter der dreitägigen Online-Veranstaltung waren die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit ihren Professuren für Arbeitswissenschaft, Arbeitsmedizin und Betriebspädagogik und das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung Magdeburg.

In hybriden Arbeitswelten wachsen analoge, mechanische, elektronische und digital-vernetzte Werkzeuge zu neuen Architekturen, Technologien und Prozessen zusammen. Dies betrifft alle Formen der Arbeit von Landwirtschaft und industrieller Produktion über Verwaltung und Dienstleistung bis hin zu Medizin/ Pflege und künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten, schließlich auch unser Privatleben und die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt. Technologien und Systeme verschmelzen, die strategischen Ziele verändern sich beispielsweise in Richtung Nachhaltigkeit und Chancengleichheit, die Prozesse werden komplexer. Klassische Hierarchien und Arbeitsteilung werden dieser Komplexität nicht mehr gerecht.

Der Präsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, Herr Prof. Dr. Oliver Sträter betonte, „dass die Herausforderungen der derzeitig vielfältigen Umbrüche und Entwicklungen in der Arbeitswelt eine arbeitswissenschaftlich fundierte gesunde und nachhaltige Arbeitsgestaltung benötigen“. Die Corona-Pandemie zeige - wie oft in der „Brennglas“ Analogie bezeichnet - zweierlei auf: „Zum einen muss menschengerechte Arbeit immer auch die sozialen Beziehungen mitdenken, zum anderen werden sich hybride Arbeitsformen etablieren - nicht nur, um die Übertragung des Virus zu vermeiden, sondern auch, um Distanzen ohne aufwendiges Reisen und damit klimaneutraler und zeitsparender zu überbrücken. Die Arbeitswissenschaft steht für diese ganzheitliche Betrachtung und wird eine entsprechende Schlüsselrolle in der digitalen Transformation übernehmen.“

Bei der Gestaltung der neuen, hybriden Arbeitswelt geht es um mehr als Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Es geht auch um die Erweiterung menschlicher Leistungsvoraussetzungen und die Entwicklung neuer Kompetenzen, aber auch um die Entfaltung subjektiver Motive, Talente und Interessen in Bildungsprozessen.

Diese Anforderungen an Forschung und Entwicklung kann keine Disziplin allein beherrschen. Daher diskutieren auf der Tagung Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Arbeitswissenschaft Potenziale und Risiken hybrider Arbeitswelten für Individuen, Organisationen und die Gesellschaft. Zentrale Eckpunkte der knapp 300 eingereichten Konferenzbeiträge waren Veränderungen der Arbeitswelt und Veränderungsmanagement, Führung und Zusammenarbeit, psychische Beanspruchung und Prävention, neue digitale Technologien, digitale Assistenzsysteme, Beteiligung, Weiterbildung und Mitbestimmung sowie neue Arbeitsumwelten und hybride Arbeitsformen. Begleitet wurde die Tagung von zwei Poster-Ausstellungen und Doktorandenwerkstätten sowie Podcasts zu ausgewählten Themen des Kongresses.

Auf der Abendveranstaltung boten der Germanist und Kulturwissenschaftler PD Dr. Sebastian Böhmer und der Kabarettist und Jongleur Timo Wopp neue, überraschende und unterhaltsame Perspektiven auf das Thema des Kongresses. Und die Stadt Magdeburg wurde in einer Videoinstallation von Stefan Haberkorn lebendig, als Magdeburger und Magdeburgerinnen ihre Stadt und Lieblingsorte authentisch vorstellten.

Gemeinsam mit den VertreterInnen des bundesweiten Programmkomitees hat hierzu das Veranstalterteam ein Tagungsprogramm konzipiert, das Fragen der digitalen Transformation unter den Aspekten von

  • Technologie in hybriden Arbeitswelten –
    Prof. Dr. Julia Arlinghaus Lehrstuhl Produktionssysteme und -automatisierung, Fakultät für Maschinenbau, Direktorin des Fraunhofer IFF

  • Bildung in hybriden Arbeitswelten –
    Prof. Dr. Michael Dick Fakultät für Humanwissenschaften, Professur Betriebspädagogik

  • Neue flexible Arbeits- und Beschäftigungsformen – Anforderungen an Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation –
    Dr. Sonja Schmicker Fakultät für Maschinenbau, Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft und Arbeitsgestaltung

  • Arbeit und Gesundheit 
    Prof. Dr. Irina Böckelmann Medizinische Fakultät, Bereich Arbeitsmedizin

multiperspektivisch beleuchtet.

Julia Arlinghaus betonte, dass die digitale Fabrik nie menschenleer sein wird und der Faktor Mensch die entscheidende Rolle spielt für den Erfolg der digitalen Transformation.

Sonja Schmicker hob hervor, dass die Suche nach Gestaltungslösungen zu den Fragen menschgerechter orts- und zeitflexibler Arbeits- und Beschäftigungsformen mit digitaler Unterstützung aus wissenschaftlicher und anwendungsorientierter Perspektive dabei ein zentrales Thema für Forschung und Anwendung sein wird.

Die vielfältigen Umbrüche und Transformationen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft fordern Anpassung, Umdenken, Veränderung von Organisationen und von Personen“, sagte Michael Dick. Deshalb steht nicht nur die Technologie im Fokus, sondern auch der Bereich Bildung, denn bei der Gestaltung der neuen, hybriden Arbeitswelt geht es um mehr als um Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Die Förderung von Persönlichkeit in der Arbeit meint sowohl die Erweiterung qualifikatorischer Leistungsvoraussetzungen als auch persönlicher Motive für Lernen und Arbeiten in Bildungsprozessen.

Expertise aus der Arbeitsmedizin und der Arbeitsphysiologie mit Fokus auf humanzentrierte Aspekte werden das Bild zu Chancen und Herausforderungen hybrider Arbeitswelt vervollständigen (Irina Böckelmann).

Die Bilanz des gelungenen Kongresses:

Wir brauchen Standards zur Gestaltung guter Arbeit, insbesondere in den neuen hybriden Arbeitswelten. Arbeiten von zu Hause bedeutet zum Beispiel nicht unbedingt Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatheit, bedeutet auch nicht unbedingt Überstunden oder Arbeitsverdichtung, wenn entsprechende gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse im Gestaltungsprozess Anwendung finden. Gesundheitsfördernde/ belastungsoptimierende Maßnahmen und die Gestaltung entsprechender Lernunterstützung über digitale Assistenzen sind dabei wichtige Bausteine.  Da waren sich die über 370 TeilnehmerInnen im inter- und transdisziplinären Diskurs zwischen Ingenieurwissenschaften, Arbeitsmedizin, Soziologie, Psychologie, Bildungswissenschaften u.a. Fachexperten einig. Die Komplexität der Arbeitsgestaltung nimmt zu und benötigt ein integriertes Vorgehen der genannten Professionen für die Zukunft der Arbeit.

Kontaktadresse für Medien:

Dr. Sonja Schmicker, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Maschinenbau,IAF

Email:

Prof. Dr. Irina Böckelmann, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Medizinische Fakultät, Arbeitsmedizin

Email:

Informationen zur Tagung und zum Programm: www.gfa2022.de

Zur GfA: www.gesellschaft-fuer-arbeitswissenschaft.de

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