Luftnot in der Schwangerschaft – Schuld war ein Tumor

17.05.2021 -  

Dezember 2019: Anne-Kathrin Bernd ist eine vitale, schwangere Frau im siebten Monat, die sich auf ihre Zwillinge freut. Nach kurzer Zeit kommt es aber anders: Sie leidet zunehmend unter Luftnot, die sich in den folgenden Wochen verschlimmert: „Mein Hausarzt sagte mir, dass ein Kind auf die Lunge drücke. Neben diesen Beschwerden wurden bei mir bereits im September Thrombosen diagnostiziert und behandelt.“

Nach der Schwangerschaft trat keine Besserung ein
Im Februar 2020 war es soweit, die Zwillinge Lea und Nora kamen gesund zur Welt. Das Glück schien perfekt, ihr Mann Alexander bereitete alles für die Heimkehr aus der Klinik vor. Nach einigen Wochen zuhause musste Anne-Kathrin aber feststellen, dass die Luftnot sich nicht besserte – im Gegenteil: Es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Jetzt war klar, dass die Beschwerden nicht durch die Zwillinge im Bauch verursacht wurden, sondern eine andere Ursache haben mussten: „Ich war bei vielen Ärzten. ‚Das ist psychosomatisch‘, bekam ich als Antwort und fühlte mich nicht ernst genommen.“ Doch damit gab sich die junge Mutter nicht zufrieden. Sie ging erneut zum Arzt und bat um weitere Untersuchungen.

Ein CT-Bild brachte Klarheit
Nach einem CT des Brustkorbs kam der Schock: „Die Ärzte sahen, dass da etwas war, was da nicht hingehörte. Im Anschluss bekam ich eine Überweisung für die Uniklinik“, sagt Anne-Kathrin. Hier half ihr Prof. Dr. med. Thorsten Walles weiter. Er ist der Leiter der Abteilung Thoraxchirurgie der Universitätsklinik: „Das CT zeigte eine Raumforderung bzw., dass ein Tumor vor dem Herzen und hinter dem Brustbein gewachsen ist. Da Frau Bernd eine junge Mutter ist, war es naheliegend, dass wir es hier am ehesten mit einem gutartigen Tumor der Thymusdrüse zu tun hatten, dabei spricht man von einer Thymushyperplasie. Solche Tumoren können vor allem unter einer Schwangerschaft auftreten und sind meistens gutartig. Wir wissen aber auch, dass sie sich in sehr bösartige Tumoren umwandeln können. Bei Frau Bernd war die Schwangerschaft schon ein paar Monate her, sodass wir zügig handeln mussten.“

Patientengeschichte 1

Prof. Dr. med. Thorsten Walles im Gespräch mit der Patientin. Foto: Sarah Rinka/UMMD

Die Entscheidung war fällig: Biopsie oder große Operation
Frau Bernd erinnert sich: „Nach dem CT, welches ambulant geschah, empfahlen mir die dortigen Ärzte, eine Biopsie des Tumors durchführen zu lassen, damit bestimmt werden kann, um was für einen Tumor es sich handelt.“ Prof. Walles hingegen riet ihr, den Tumor während einer OP gleich vollständig zu entfernen. „Das klang in meinen Ohren deutlich besser. Insgesamt war es eine sehr nervenaufreibende Zeit, da mein Mann und meine drei Kinder mich brauchten. Es war schwierig, diese Situation auszuhalten.“

Prof. Walles: „Eine Biopsie zu machen wäre schwierig geworden, da es nicht leicht ist, zwischen Brustbein und dem Herzen an einen Tumor zu gelangen. Es wäre nötig gewesen, an dem Knochen vorbei zu bohren, dabei darf das Herz nicht beschädigt werden. Darum war es die bessere Entscheidung, eine OP zu machen, sich dem Tumor von der Seite zu nähern, sodass man dem Herzen aus dem Weg geht und sich nicht mit dem Brustbein auseinandersetzen muss. Das erfordert, dass der Patient schläft und eine Narkose hat. Auf diese Weise war es möglich, dass wir nicht nur eine Probe entnehmen, sondern gleich den ganzen Tumor entfernen konnten.“
Anne-Kathrin Bernd fügt hinzu: „Eine Biopsie und danach wieder auf ein Ergebnis warten, wäre für mich nicht aushaltbar gewesen. Da ist jeder Tag einer zu viel.“

Prof. Walles nutzte bei der Operation ein spezielles Robotik-System
Prof. Walles: „Das Tumorgewebe musste bei Frau Bernd sehr genau und vollständig entfernt werden. Darum habe ich für diese OP den DaVinci-Roboter eingesetzt. Damit kann ich Schlüsselloch-Operationen durchführen und vor allem große und fortgeschrittene Tumoren sicher behandeln. Der Vorteil ist auch, dass wir sehr präzise auf sehr engem Raum arbeiten können. Gerade in solch einem kritischen Raum, zwischen dem Brustbein und vor dem Herzen, eignet sich dieser sehr gut.“

Ein weiterer Vorteil des Roboters ist, „(…) dass der Patient sich nach einer OP mit dem DaVinci-Roboter erfahrungsgemäß schneller erholt als mit anderen OP-Verfahren. Früher hätte man das Brustbein aufgesägt, zur Seite geklappt und den Tumor dann entfernt, was für den Patienten bedeutete, dass er für mehrere Wochen nicht schwer tragen konnte“, fügt Prof. Walles hinzu.

Patientengeschichte 2

Operation mit dem DaVinci-Roboter. Foto: Sarah Rinka/UMMD

Atmen war wieder unbeschwert möglich
„Direkt nach der Operation waren meine Atembeschwerden weg. Ich war etwa zwei Tage nach der OP wieder zuhause und musste mich noch schonen“, erinnert sich die ehemalige Patientin. Sie fügt hinzu: „Bis auf Taubheit an den Wunden, die jetzt abklingen, geht es mir wieder gut.“ Prof. Walles weiß: „Das ist normal, denn trotz Schlüssellochtechnik ist es so, dass wir immer Nerven, die außen auf der Oberfläche der Haut liegen, verletzen. Diese sind dafür da, den Körper zu schützen und jede Störung anzuzeigen. Ein Ausfall macht dann diese Probleme, die sich nach einer gewissen Zeit langsam zurückbilden.“

Anne-Kathrin Bernd und ihre Familie sind froh, dass sie diese schwere Zeit hinter sich lassen können: „Bezüglich meiner Diagnose bekam ich in meinem Umfeld immer dieselbe Antwort: ‚Thymushyperplasie? Noch nie gehört!‘ Ich bin dankbar und kann wieder ohne Probleme atmen.“

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