Epilepsie: Wie ein „Gewitter“ im Gehirn
von Ögelin Düzel
Die Epilepsie ist fast so häufig wie der Schlaganfall. In beiden Fällen treten die Symptome plötzlich auf. Über Schlaganfall wird geredet, über Epilepsie kaum. Die Häufigkeit dieser Erkrankung liegt bei 0,7 Prozent der Bevölkerung (zum Vergleich: Schlaganfall etwa 1 Prozent, Multiple Sklerose liegt bei 0,09 Prozent). Allein in Sachsen-Anhalt sind somit mehr als 16.800, in ganz Deutschland rund 500.000 Menschen betroffen. Etwa fünf Prozent der Menschen erleben einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall.
Was passiert: Krankhafte zeitgleiche Entladungen von Nervenzellen (sogenannte Synchronisierung) im Gehirn verursachen epileptische Anfälle. Diese plötzliche Entladung wird daher auch mit einem „Gewitter“ verglichen.Diese Anfälle entstehen plötzlich, (meist) ohne Vorwarnung und dauern in der Regel weniger als fünf Minuten an. Der Patient verliert die Kontrolle über seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten.„Letzten Endes ist der Kontrollverlust vermutlich der ausschlaggebende Faktor, warum diese Krankheit stigmatisiert und in der Gesellschaft immer noch als eine ,unheimliche’ Erkrankung wahrgenommen wird. Das Thema wird tabuisiert und infolgedessen leiden Patienten in ihrem sozialen Umfeld darunter“, berichtet Dr. Friedhelm C. Schmitt, der den Fachbereich Epileptologie der Universitätsklinik für Neurologie leitet.
Die Anfälle führen zu unterschiedlichsten Ausprägungen und Veränderungen, die sich von Patient zu Patient sehr unterscheiden. Meist sind aber motorische Entäußerungen (Bewegungen) Teil des „Kernsymptoms“, also das herausstellende Merkmal des Anfalls.
In der Ambulanz der Epilepsiesprechstunde fanden seit 2007 im Jahresdurchschnitt über 500 Patientenkontakte und über 200 individuelle Patienten mit steigender Tendenz statt. Dr. Schmitt: „Ziel ist es, für den Patienten sowohl in der Diagnose als auch in der Therapie die erforderliche Versorgung einzuleiten und bestmögliche Behandlungsmöglichkeiten zu bieten. Falls erforderlich, werden die Patienten im sogenannten Video-EEG-Monitoring mit einer digitalen Kamera über mehrere Tage hinweg überwacht. Aus der Hirnschrift während des Anfalls und der Art der Anfälle kann dann genau bestimmt werden, aus welcher Region des Gehirns der Anfall entsteht.“
Die für jeden Patienten individuellen Folgen der Erkrankung stehen ebenfalls im Zentrum der Klinik. Zum Beispiel bilden sozialmedizinische Fragestellungen, wie die Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahr-zeuges, einen besonderen Schwerpunkt in der Beratung der Patienten. Auch findet eine individuelle Beratung von Frauen, die an Epilepsie erkrankt sind und schwanger geworden sind, statt. Des Weiteren wird für besondere Fragen im sozialen Bereich, z. B. Vor- und Nachteile eines Schwerbehindertenausweises, berufliche Förderungsmöglichkeiten oder die Initiierung einer epilepsiespezifischen Rehabilitationsmaßnahme eine Beratung in die Wege geleitet. Oft hilft aber auch die Weitergabe spezieller Informationen oder Adressenlisten. So hat der Landesverband Epilepsie u.a. in Kooperation mit der Universitätsklinik für Neurologie eine soziale Beratungsstelle in Magdeburg einrichten können.
Eine wesentliche Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten stellt die 2009 eingerichtete stationäre Video-EEG-Einheit (2 - 3 Betten) dar, die ein diagnostisches und prächirurgisches Video-EEG-Monitoring möglich macht. Neben den Routine EEG-Oberflächen-Ableitungen sind auch ggf. invasive Ableitungen möglich. Diese Untersuchungen ermöglichen wesentlich genauere Aussagen zur Anfallsfrequenz und -genese. Einen Schwerpunkt des Fachbereichs Epileptologie bildet die Diagnose und Behandlung schwerer „pharmakoresistenter“ Epilepsien. Wenn alle medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, besteht nämlich die Möglichkeit, mit einem invasiven Verfahren Besserung zu erreichen. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die ein erfahrener Arzt auf die Patienten individuell abstimmen kann. Diese reichen von resektiven Verfahren über Vagus-Nerv-Stimulation, Tiefe-Hirnstimulation, Thermoablation und Seed-Implantation.
Dr. Friedhelm C. Schmitt, gehört zu den sog. „Top–Medizinern“ im Bereich Epilepsie, die das Magazin „FOCUS“ 2015 zusammen mit einem unabhängigen Recherche-Institut bundesweit ermittelte. Als Grundlage dienen dabei Empfehlungen von Kollegen, Patienten, das angebotene Behandlungsspektrum sowie die Anzahl der Publikationen und durchgeführte Studien.
Foto: Dr. Friedhelm C. Schmitt beim Patientengespräch in der Epilepsiesprechstunde. Foto: Uniklinik