Norman Thiel

Norman Thiel ist Abteilungsleiter im Bereich sterile und allgemeine Arzneimittelherstellung in der Zentralapotheke. Im Interview erzählt er, wie er Lieferengpässe meistert und individuelle Arzneimittel herstellt. Von der traditionellen Handarbeit bis zur Digitalisierung, gibt er Einblicke in die Herausforderungen und Chancen in der pharmazeutischen Welt und gewährt einen Blick hinter die Kulissen eines abwechslungsreichen Jobs an der UMMD.

Lieber Herr Thiel, seit wann sind Sie an der UMMD und was machen Sie hier?

Ich bin seit Dezember 2012 als Apotheker an der UMMD tätig. Im August 2013 habe ich die Leitung der Abteilung Sterilherstellung übernommen, im Oktober 2022 kam dann noch der Bereich der nicht-sterilen Arzneimittelherstellung hinzu.

In beiden Bereichen stellen wir Arzneimittel her, die auf dem Markt nicht verfügbar sind, aber für eine patientenindividuelle Behandlung benötigt werden. In den vergangenen Jahren nimmt die Zahl der durch Lieferengpässe ersatzweise herzustellenden Arzneimittel stetig zu, so dass dies nun auch zu unserem Tätigkeitsspektrum gehört. Der Bereich der Herstellung umfasst Zubereitungen zur totalen parenteralen Ernährung (TPN) für Frühgeborene und Kinder, Augentropfen, Infusions- und Injektionslösungen, Kapseln, Lösungen und Suspensionen zum Einnehmen, Suppositorien und Dermatika.

Norman Thiel

Foto: Norman Thiel.
Fotografin: Sarah Kossmann/UMMD

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Mein Arbeitsalltag besteht aus der Organisation der anfallenden Herstellungstätigkeiten, um eine zeitnahe Versorgung der Patienten sicherzustellen. Dabei werde ich von meinen Kolleg:innen unterstützt. Des Weiteren beantworte ich Anfragen, die von der Pflege oder den ärztlichen Kolleg:innen an mich herangetragen werden. Wird zum Beispiel ein Arzneimittel in einer besonderen Darreichungsform benötigt, das es in dieser Form nicht von der pharmazeutischen Industrie auf dem deutschen Markt gibt, prüfe ich, ob eine Eigenherstellung infrage kommt. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, für jedes Arzneimittel, das wir selbst herstellen, eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen, um ein stabiles und sicheres Arzneimittel zu gewährleisten.

Bevor das Arzneimittel zur Anwendung am Patienten freigegeben werden kann, muss dann noch die Herstellungsdokumentation durch einen Apotheker geprüft werden.

Ein weiteres Aufgabenfeld sind buchhalterische Prozesse seitens der Apotheke. Hier bin ich für die Rechnungsstellung der versorgten Fremdhäuser sowie für die Durchführung des Monatsabschlusses und der Inventur zuständig.

Was hat sie motiviert, diesen Beruf zu ergreifen?

Ich habe eine Apothekerin in meiner näheren Verwandtschaft und bin dadurch schon als Kind mit dem Beruf in Berührung gekommen. Es folgten Schülerpraktika und diverse Ferienjobs in einer öffentlichen Apotheke. Fasziniert hat mich zu dieser Zeit bereits die rezepturmäßige Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke. Mit dieser Tätigkeit verbinde ich eine der wesentlichen Traditionen des Apothekerberufes. Zudem spielen hier die verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen zusammen.

Welche Herausforderungen bringt ihr Job mit sich?

Die wohl größte Herausforderung derzeit ist der Umgang mit diversen Lieferengpässen der pharmazeutischen Hersteller. Gerade im Bereich der Pädiatrie müssen wir, wenn es aus pharmazeutischer Sicht möglich ist, die Lieferausfälle mit Eigenherstellungen überbrücken. Dies betrifft zum Beispiel verschiedene antibiotikahaltige Suspensionen. Im vergangenen Winter haben wir auch Fiebersäfte hergestellt, als diese für einige Zeit nicht zur Verfügung standen.Leider sind vermehrt auch pharmazeutische Grundsubstanzen und Primärpackmittel von den Lieferausfällen betroffen.

Aber es gibt auch positive Herausforderungen. Hierzu zählt zum Beispiel die fortschreitende Digitalisierung. Die Arzneimittelherstellung ist ein sehr bürokratischer Prozess, d. h. jeder einzelne Schritt von der Recherche und Plausibilitätsprüfung bis zur Herstellung und Freigabe des Arzneimittels muss genauestens dokumentiert werden. Hier unterstützt uns eine Herstellungsdokumentationssoftware seit einiger Zeit bei diesem Prozess.

Vor kurzen hatten wir einen 3-D-Drucker zur Medikamentenherstellung als Testgerät bei uns an der UMMD. Wie schätzen Sie den Wandel, den die technische Entwicklung in Ihrer Branche mit sich bringt, ein? Und bevorzugen Sie nach der Testphase das händische oder das maschinelle Herstellen von Medikamenten?

Die Arzneimittelherstellung ist und bleibt aus meiner Sicht ein traditioneller, handwerklicher Prozess. Dennoch bin ich den technischen Entwicklungen gegenüber sehr positiv aufgeschlossen. Die Technik erlaubt uns, schnell und ohne größeren Aufwand auf individuelle Bedürfnisse der Patienten einzugehen. So werden auch Kapazitäten für andere Aufgaben geschaffen. Fällt die Technik jedoch aus, muss wieder manuell hergestellt werden. Von daher ist es aus meiner Sicht wichtig, dass das manuelle Herstellen der diversen Darreichungsformen nicht verlernt wird.

Was macht ihren Job besonders?

Der Job als Apotheker in einem Universitätsklinikum ist sehr abwechslungsreich, vielseitig und alles andere als langweilig. Durch die verschiedenen medizinischen Fachgebiete und die interdisziplinäre Zusammenarbeit lernt man immer wieder etwas Neues dazu und kann auch mal über den Tellerrand hinausschauen.

Was machen Sie abseits der Arbeit gerne?

Ich bin gern in der Natur unterwegs. Wenn es die Zeit zulässt, lese ich gern. Auch das Zeichnen und Malen habe ich für mich wiederentdeckt.

Vielen Dank!

Letzte Änderung: 28.11.2023 - Ansprechpartner: Webmaster