Die Abmahnung - Damoklesschwert oder „Klaps“ auf den Hinterkopf ?
(aktualisiert 25.05.2007)
Wenn Sie in unseren Tarifverträgen nach dem Begriff „Abmahnung“ suchen, werden Sie nicht fündig. Die Abmahnung ist ein gesetzlich und tarifvertraglich nicht geregeltes Instrument, das die deutsche Rechtsprechung aus § 326 BGB und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entwickelt hat.
Versimplifiziert man die allgemeinen Bestimmungen des § 326 BGB und überträgt sie auf das Arbeitsrecht, lässt sich folgende Verallgemeinerung treffen:
Ein Arbeitgeber darf nur dann ohne vorherige Abmahnung kündigen, wenn kein Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mehr besteht. Als „fehlendes Interesse“ genügt dabei nicht etwa die subjektive Vorstellung des Arbeitgebers bzw. die seiner leitenden Mitarbeiter. Vielmehr wird an dieser Stelle (ggf. auch vor dem Arbeitsgericht) danach gefragt, ob ein verständiger und verantwortungsbewusster Arbeitgeber im konkreten Fall ebenfalls auf eine vorherige Abmahnung verzichten und sofort eine Kündigung aussprechen würde.
Dieses „Ultima-ratio-prinzip“ ist letztlich auch dem Fürsorgeprinzip des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern geschuldet. Der Arbeitgeber muss sich regelmäßig nach Feststellung eines arbeitnehmerseitigen Fehlverhaltens fragen, ob sein Vertrauen in den Arbeitnehmer derart stark erschüttert ist, dass ihm nur die „Keule“ einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses übrig bleibt [klassische Beispiele: der direkte Griff in die Kasse des Arbeitgebers oder Urkundenfälschung (z.B. des Krankenscheins)]. Kommt er aber zu dem Schluss, dass das arbeitnehmerseitige Vergehen das Vertrauensverhältnis nicht existenziell erschüttert hat, so erteilt er dem Arbeitnehmer mit dem Ausspruch einer Abmahnung einen „sehr ernsthaften Klaps auf den Hinterkopf“.
Die Abmahnungselbst besteht aus drei Teilen: Erstens der Aufzeichnung der Arbeitsvertragsverletzung (Hinweisfunktion), zweitens der Begründung, weshalb das Verhalten eine Vertragsverletzung darstellt (Rügefunktion) und drittens der Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfalle (Warnfunktion).
Der Ermahnungfehlt im Vergleich zur Abmahnung der dritte Bestandteil (Kündigungsandrohung) als arbeitgeberseitige Reaktion auf ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Sie stellt somit eine abgestufte Form der Disziplinierung dar.
Das beanstandete Verhalten ist sowohl in der Abmahnung als auch in der Ermahnung konkret hinsichtlich seiner zeitlichen und örtlichen Lage zu bezeichnen.
Es dürfen ausschließlich Tatsachen und keine Werturteile genannt sein. Beispielsweise reicht es nicht aus, dem Arbeitnehmer pauschal einen mangelnden Leistungswillen, eine negative Grundeinstellung zur Arbeit und ein unkollegiales Verhalten vorzuwerfen. Notwendig ist ein Konkretisieren des beanstandeten Verhaltens nach dem Muster: was hat er wann, wo, wie gegenüber wem falsch gemacht?
Die Abmahnung verfolgt den Zweck, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Verhaltensänderung zu geben. Dauert das Fehlverhalten des Arbeitnehmers an, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsrechtsverhältnis per Kündigung zu beenden. Wie viele Abmahnungen erforderlich sind, um bei gleichartigem Fehlverhalten eine Kündigung zu rechtfertigen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Vielmehr hängt es vom Einzelfall und der Schwere der Verfehlung ab.
Regelmäßig müssen vor dem Ausspruch einer Abmahnung sowohl der Betroffene selbst, als auch der Personalrat vom Arbeitgeber angehört werden.
Die Anhörung des Arbeitnehmers erfolgt in aller Regel schriftlich. In einem Anschreiben des Geschäftsbereichsleiters Personal wird der Arbeitnehmer darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber beabsichtigt, ein durch den zuständigen Vorgesetzten angezeigtes Fehlverhalten zu ahnden.
Im Rahmen der Anhörung erhält der Arbeitnehmer die Möglichkeit, in Form einer schriftlichen Stellungnahme sein Verhalten zu rechtfertigen.
Diese Stellungnahme wird - genauso wie die ggf. erfolgte Stellungnahme des Personalrats - Bestandteil der Personalakte. Anhand der einzelnen Stellungnahmen und der durch den Dienstvorgesetzten des Arbeitnehmers vorgetragenen Vorwürfe entscheidet - ggf. nach weiteren klärenden Gesprächen - der Geschäftsbereichsleiter Personal abschließend über die Art der Sanktionierung (Ermahnung oder Abmahnung). Der eigentliche Ausspruch der Ermahnung oder Abmahnung erfolgt wiederum in schriftlicher Form.
Die Frage der Wirkungsdauer einer Abmahnung lässt sich aufgrund fehlender Regelfristen ebenfalls nicht pauschal beantworten. In Abhängigkeit von der Schwere der Verfehlung geht die Literatur von einem Zeitraum zwischen zwei und fünf Jahren aus.
Im Bereich des Uniklinikums Magdeburg wird beim Ausspruch einer Abmahnung bzw. Ermahnung mitgeteilt, wie lange diese in der Personalakte verbleiben soll.
Der Arbeitnehmer kann aber auch davon unabhängig einen Anspruch auf Entfernung der Er- bzw. Abmahnung aus seiner Personalakte haben; nämlich immer dann, wenn in dieser unrichtige Tatsachen, Behauptungen oder ungerechtfertigte Bewertungen enthalten sind.
Wurden mit einer Er- oder Abmahnung beispielsweise mehrere Pflichtverletzungen gerügt und stellt sich heraus, dass nur eine dieser vorgeworfenen Pflichtverletzungen unhaltbar ist, führt das zur Unwirksamkeit der gesamten Er- bzw. Abmahnung.
Den Entfernungsanspruch kann der Arbeitnehmer auf dem Klagewege beim Arbeitsgericht geltend machen.
Zusammenfassend bleibt festzustellen: